Patricia Hofmann • 27. August 2022
Gemeinsam mit Miriam Jutz vom Gewaltschutzzentrum Niederösterreich beantwortet Patricia Hofmann Fragen rund um das Thema Opferrechte im Strafverfahren:
Was bedeutet "Prozessbegleitung"?
Es beginnt bereits damit, dass viele Personen nicht wissen, dass sie die Möglichkeit einer psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung haben. Viele fragen sich wahrscheinlich: "Was ist das überhaupt?". Kurz und einfach gesagt: psychologische Unterstützung sowie eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt für das Opfer im Strafverfahren.
Welche Rolle haben Opfer im Strafverfahren?
Bei Gewaltdelikten handelt es sich in der Regel um „Offizialdelikte“, das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft eine Person anklagen kann, wenn diese einen begründeten Verdacht hat, dass diese Person dieses Delikt begangen hat, z.B. eine Körperverletzung. Die Opfer der Delikte sind in diesen Verfahren wichtige Zeug:innen. Da die Zeug:innen aber auch Geschädigte sind, haben sie bestimmte Rechte zur Verfahrensbeteiligung bzw. auf einen schonenden Umgang im Verfahren. Teil davon ist die Prozessbegleitung.
Zur psychosozialen Prozessbegleitung
Die psychosoziale Prozessbegleitung berät, begleitet und unterstützt Opfer durch das gesamte Strafverfahren hindurch und darüber hinaus. Zudem koordiniert und organisiert die psychosoziale Prozessbegleitung die Kommunikation mit der juristischen Prozessbegleitung und/oder dem Gericht – zur Entlastung der Opfer.
Gemeinsam mit der juristischen Prozessbegleitung stellt sie sicher, dass die Betroffenen über ihre Rechte im Verfahren Bescheid wissen und bestärkt sie darin, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel ob und in welcher Höhe Ansprüche wie Schmerzensgeld geltend gemacht werden. Indem sich Betroffene auf den Verfahrensablauf, dessen mögliche Konsequenzen sowie ihre Rolle innerhalb des Verfahrens einstellen können, wird einer Re-Traumatisierung vorgebeugt.
Zur juristischen Prozessbegleitung
Juristische Prozessbegleitung bedeutet die rechtliche Beratung und Vertretung für das gesamte Verfahren durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt. Diese werden von den Opferschutzeinrichtungen ins Boot geholt und sind stets auf Opferschutz und die Geltendmachung der Rechte von Opfern im Strafverfahren spezialisiert. So unterstützt die juristische Prozessbegleitung bei der Durchsetzung der Ansprüche im Verfahren und nimmt die Rechte der Opfer wahr.
Wie genau läuft eine "Prozessbegleitung" ab?
Der Ablauf orientiert sich an den Bedürfnissen der Betroffenen. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, noch vor der Anzeigenerstattung eine persönliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Kommt es zu einem Strafverfahren, gibt es eine Vorbesprechung zusammen mit der psychosozialen Begleitung und der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt, in der alle Fragen und Ansprüche geklärt werden können. So ist das Opfer auf den Verfahrensablauf gut vorbereitet.
Während des Hauptverfahrens ist das Opfer in ständiger Begleitung der psychosozialen Beratung und im Gerichtssaal vertreten durch die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt. Nach dem Verfahren gibt es eine Nachbesprechung zum Verfahrensausgang. Grundsätzlich gibt es laufend persönlichen und telefonischen Kontakt zwischen dem Opfer und der psychosozialen Prozessbegleitung über das gesamte Verfahren hinweg.
Wer hat Anspruch auf Prozessbegleitung?
Anspruch haben zum einen Personen, welche durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt, zum Beispiel einer Körperverletzung, oder gefährlicher Drohung ausgesetzt waren. Umfasst sind ebenso Personen, die in ihrer sexuellen Integrität und Selbstbestimmung beeinträchtigt wurden, dazu zählen beispielsweise Opfer von sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung. Opfer von Stalking, Cybermobbing, Verhetzung und auch Opfer von terroristischen Straftaten sowie Angehörige von Mordopfern haben auch das Recht, psychosoziale und juristische Prozessbegleitung in Anspruch zu nehmen.
Kostet mich die Prozessbegleitung etwas?
Die Prozessbegleitung ist für Opfer von Gewalt kostenlos und die Berater:innen sind der Verschwiegenheit verpflichtet.
Muss ich allein zur Polizei oder Gericht?
Nein. Sowohl bei der Polizei als auch bei einer Aussage vor Gericht kann man eine Vertrauensperson mitnehmen. Jedenfalls begleitet die psychosoziale Prozessbegleitung – wie der Name schon sagt – auch zur Aussage und weicht der betroffenen Person dabei nicht von der Seite.
Ich habe Angst vor möglichen Konsequenzen, wenn ich eine Aussage gegen den Täter, die Täterin mache. Welche Möglichkeiten habe ich, um mich zu schützen?
Gerade für Betroffene von häuslicher Gewalt ist ein Strafverfahren besonders belastend, da es sich bei den Angeklagten oft um eine enge Bezugsperson wie zum Beispiel den Partner oder die Partnerin handelt. Dabei lässt sich unterscheiden zwischen der Aussage, die im Zuge der Anzeige getätigt wird und der Aussage beim Hauptverfahren. Wie bereits erwähnt kann man bereits vor einer Anzeige bei der Polizei Kontakt mit einer Opferschutzeinrichtung aufnehmen. Die Polizei hat die Möglichkeit, ein Betretungs- und Annäherungsverbot auszusprechen. Ebenso unterstützen die Opferschutzeinrichtung die Betroffenen dabei, zivilrechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Eine wichtige Information ist auch, dass Opfer unter bestimmten Voraussetzungen das Recht auf eine schonende Einvernahme haben, sodass sie nicht in Anwesenheit des Angeklagten vor Gericht aussagen müssen. Auch eine Aussagebefreiung kann mit der juristischen Prozessbegleitung erörtert werden.
Welche Rechte habe ich noch ?
Über die bereits erwähnten Rechte hinaus sind auch noch folgende zu nennen:
Für besonders schutzbedürftige Opfer und Privatbeteiligte sieht die Strafprozessordnung noch darüberhinausgehende Rechte vor.
Mehr Informationen zu den einzelnen Rechten von Opfern in Strafverfahren könnt ihr in unserer Reihe 1x1 der Opferrechte nachlesen. Zum Beispiel zum Anzeigerecht, zum Thema Ausschluss der Öffentlichkeit oder dem Recht auf eine schonende Vernehmung, uvm.
Wo finde ich Informationen?
Grundsätzlich informiert die Polizei das Opfer bei der Anzeigenerstattung über die Möglichkeiten, sich an eine Opferschutzeinrichtung zur Beratung zu wenden. Auf der Website
Hilfe-bei-Gewalt findet man Informationen und eine Auflistung der Einrichtungen für die jeweiligen Bundesländer.
Dieser Artikel ist (in ähnlicher Form) bei derStandard.at bereits am 25.08.2022 im Gastblog "Mit Recht gegen Gewalt" von Patricia Hofmann erschienen.
Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können. Bitte beachten Sie auch, dass die obige Darstellung nicht zwangsläufig auf die individuellen Situationen übertragbar ist. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden im Text hauptsächlich geschlechtsneutrale Formen verwendet. Selbstverständlich gelten sämtliche Personenbezeichnungen gleichermaßen für alle Geschlechter.
KANZLEI CHRISTINA TOTH
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