Patricia Hofmann • 24. April 2024
"Ich bring dich um! Ich schwöre dir, ich bring dich um. Du wirst schon sehen. Mir ist alles egal. Ich komm jetzt, ich bring dich und den Hawara um", tönt es mit einer aggressiven, sich in den Worten überschlagenden Stimme aus dem Handy von Mara. Sie ist alleine zu Hause und zittert vor Angst, als sie das Telefonat beendet. Dann wählt sie den Notruf.
Wie knifflig diese Frage der heimlichen Tonaufnahme sein kann, möchte ich am Beispiel von Mara aufzeigen. Mara kennt die aggressiven Anrufe, es war nicht der erste von ihrem Ex-Freund. Die ersten Anrufe nach der Trennung waren für Mara okay. Ihr Ex-Freund hat angerufen, um sich nach ihr zu erkundigen, wobei die Frage nach einem "Neuen" immer Thema war. Sie wollte alles ohne großen Streit lösen, also versuchte sie dieses Thema so gut wie möglich bei den Telefonaten zu umgehen. Sie merkte schon damals eine gewisse Gereiztheit in seiner Stimme, wenn es um einen potenziellen neuen Freund ging, schließlich kannte sie auch sein Problem mit Eifersucht und Impulsivität. Als er sie vergangene Woche dann händchenhaltend mit einem anderen Mann in Wien spazieren sah, rief er mehrmals an. Wenn sie abhob, um die Situation zu beruhigen, schrie er ins Telefon, was sie sich erlaube, er könne das nicht so stehen lassen. Sie hob also nicht mehr ab. Nachrichten schrieb der Ex-Freund von Mara keine, er hinterließ – mit einem sehr aggressiven Ton – ein paar Nachrichten auf der Mobilbox: Sie solle doch nicht so feig sein, endlich zurückrufen, denn es müsse geklärt werden. Der Ton wurde rüder und fordernder. Bis zuletzt hatte Mara gehofft, dass sich das mit der Zeit legt und er versteht, dass es aus ist. Doch die letzten Anrufe machten ihr Angst.
Das letzte Telefonat führte nun dazu, dass Mara die Polizei rief und eine Anzeige gegen ihren Ex-Freund erstattete. Als Mara in einem kleinen Zimmer auf der Polizeiinspektion gegenüber der Polizistin sitzt, der sie gerade die Vorkommnisse schildert, blickt die Polizeiinspektorin über den Computer zu Mara hinüber und fragt, ob sie das Telefongespräch aufgenommen habe. Mara schaut etwas verunsichert und muss verneinen. Aber hätte sie denn das Gespräch überhaupt aufzeichnen dürfen?
Der Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten ist in Österreich strafbar. Zu unterscheiden ist, ob die Äußerung zur Kenntnisnahme des Aufnehmenden bestimmt ist oder nicht. Ist das nicht der Fall, also ist die nicht öffentliche Äußerung für den Abhörenden nicht vorgesehen, so sieht das Gesetz eine Verwirklichung des Tatbestands für jene Person vor, die ein Abhör- oder Tonaufnahmegerät benutzt, um sich oder einen anderen Unbefugten von dieser Äußerung Kenntnis zu verschaffen. Strafbar ist in diesem Fall also bereits das Aufnehmen an sich. Ist eine Äußerung allerdings an einen selbst gerichtet, steht das Aufzeichnen selbst nicht unter Strafe. Das Aufnehmen eines Telefonats, an dem man selbst beteiligt ist, welches für die eigenen Ohren bestimmt ist, fällt also nicht unter den Tatbestand. Mit dem Aufnehmen des Telefonats hätte Mara den Tatbestand in ihrem Fall daher nicht erfüllt. Strafbar kann aber sein, was sie dann mit dieser Aufnahme macht.
Weitergabe sowie Wiedergabe
Strafbar ist allerdings, "wer ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonaufnahme einer nicht öffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht oder eine solche Aufnahme veröffentlicht". Es ist also sowohl die Weitergabe als auch die Wiedergabe gegenüber einem Dritten strafbar. Wenn das Gesetz von dem Zugänglichmachen an einen Dritten, für den die Äußerung nicht bestimmt war, schreibt, ist davon auch beispielsweise die Polizei oder das Gericht umfasst. So kann das Zur-Verfügung-Stellen an die Polizei oder das Abspielen der Aufnahme bei Gericht diesen Tatbestand erfüllen und zu einer Strafbarkeit führen.
Rechtfertigung
Straflos kann das Abspielen der Aufnahme bei Gericht aber unter gewissen Voraussetzungen dennoch sein. Im Strafrecht kennt man beispielsweise den rechtfertigenden Notstand, der von einer Güter- und Interessenabwägung geprägt ist.
Zum einen hat die aufgenommene Person ein Recht auf Privatsphäre sowie einen Schutz am eigenen Wort, auf der anderen Seite hat die aufnehmende Person unter Umständen ein Interesse daran, einen Beweis für die Äußerung zu liefern. So kann zum Beispiel, wenn ein Angeklagter nur durch eine heimliche Tonaufnahme den gegen ihn erhobenen Vorwurf im Strafverfahren entkräften kann, eine Rechtfertigung angenommen werden.
Zurück zu Mara
Mara ist allein zu Hause. Der Anruf kommt, und keiner sonst kann diesen mithören. Sie wird mit dem Umbringen bedroht. Sie hätte also vermutlich kein anderes Beweismittel zur Verfügung, um die gefährliche Drohung gegen sich zu beweisen. Zu beachten ist, dass es sich stets um Einzelfälle handelt und daher eine genaue Betrachtung der Umstände und des Falls erforderlich ist, um sagen zu können, ob eine Rechtfertigung vorliegt oder nicht, daher ist Vorsicht geboten.
Vor einer Weitergabe oder Wiedergabe der Aufnahme sollte daher genau das erörtert werden. Denn vielleicht gibt es andere Beweismöglichkeiten, die die Weitergabe nicht erforderlich machen, oder es könnte ausreichen, ein Transkript der Aufnahme vorzulegen.
Beispielhaft für viele ähnliche Situationen steht hier die Geschichte von Mara, wobei Mara ein fiktiver Name ist, der für ein besseres Verständnis der oft komplexen und schwierigen Situationen von Opfern steht.
Dieser Artikel ist (in ähnlicher Form) bei derStandard.at bereits am 05.04.2024 im Gastblog "Mit Recht gegen Gewalt" von Patricia Hofmann erschienen.
Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können. Bitte beachten Sie auch, dass die obige Darstellung nicht zwangsläufig auf die individuellen Situationen übertragbar ist. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden im Text hauptsächlich geschlechtsneutrale Formen verwendet. Selbstverständlich gelten sämtliche Personenbezeichnungen gleichermaßen für alle Geschlechter.
KANZLEI CHRISTINA TOTH
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