Patricia Hofmann • 10. Oktober 2024
Beim Thema Sex stellt sich zumeist auch die Frage nach der Verhütung. Ein mögliches Verhütungsmittel ist bekanntlich das Kondom. Es kann nicht nur ungewollte Schwangerschaften verhindern, sondern bietet auch Schutz vor vielen sexuell übertragbaren Krankheiten. Aus diesem Grund ist es für viele Personen wichtig und eine Bedingung beim Sex, dass ein Kondom verwendet wird. Nachvollziehbar, oder?
Was ist Stealthing?
Leider scheint das nicht für jede:n nachvollziehbar zu sein und so hat sich der Begriff "Stealthing" entwickelt. Unter diesen Begriff versteht man ein Verhalten, bei dem der Sexualpartner während des Geschlechtsverkehrs heimlich und gegen den Willen der anderen Person das Kondom entfernt und danach (ohne Kondom) den Geschlechtsverkehr fortsetzt.
Also stellen wir uns folgenden Ablauf vor: Der Abend zwischen zwei Personen läuft gut, man geht gemeinsam nach Hause und es kommt zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit Kondom. Eine der beiden Personen sagt vorab, dass jedenfalls ein Kondom zu benutzen ist, denn ungeschützter Sex kommt für sie nicht infrage. Nach beispielsweise einem Stellungswechsel merkt diese Person dann allerdings, dass da etwas nicht stimmt – das Kondom ist plötzlich weg. Der Sexualpartner hat es unbemerkt abgezogen und den Sex ohne Kondom fortgesetzt. Bei eben diesem Phänomen spricht man vom Stealthing, was aus dem Englischen übersetzt so viel wie List oder Heimlichtuerei bedeutet.
Sexuelle Selbstbestimmung
Das österreichische Strafgesetzbuch sieht eine Bestimmung vor, welche die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung unter Strafe stellt und – auf strafrechtlicher Ebene – einen Schutz vor unfreiwilligem Beischlaf und unfreiwilligen beischlafsähnlichen Handlungen bieten soll. Diese Bestimmung habe ich auch schon in dem Beitrag Warum ein "Nein" vielleicht doch nicht reicht erwähnt, aber nochmal in aller Ruhe:
§ 205a StGB regelt unter anderem, dass zu bestrafen ist, wer mit einer Person gegen deren Willen den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornimmt. Die Bestimmung verlangt ein Verhalten, dass sich gegen den Willen des Opfers richtet und ein Opfer, das den entsprechenden Gegenwillen ausdrücklich erklärt oder auf andere Art konkludent zu verstehen gegeben hat, dass es das nicht möchte (Stichwort: Nein ist Nein).
Gibt der:die Sexualpartner:in also ihre Zustimmung zum Geschlechtsverkehr nur unter der Bedingung, dass ein Kondom verwendet wird und ist mit ungeschütztem Sex nicht einverstanden, so ist jedenfalls klar, dass Sex ohne Kondom nicht der Wille dieser Person ist. Auf diesem Weg bringt die Person nämlich auch ihre sexuelle Selbstbestimmung zum Ausdruck – sie möchte schlichtweg keinen Sex ohne Kondom.
Strafbarkeit
Durch das Entfernen des Kondoms wird der vorerst einvernehmliche und geschützte Geschlechtsverkehr zu einem gegen den erklärten Willen des:der Sexualpartner:in ungeschützten Geschlechtsverkehr. Damit handelt der Täter gegen den Willen des Opfers, welches nur mit Kondom Sex wollte und daher ist dieses Verhalten des sogenannten Stealthing auch in der Regel nach § 205a StGB strafbar. Dabei sieht das Strafgesetzbuch für die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor.
Soll ich das wirklich anzeigen?
Die Beurteilung der grundsätzlichen Strafbarkeit ist die eine Sache, aber viele Betroffene fragen sich, ob sie ein solches Vorgehen zur Anzeige bringen sollen und/oder wollen. Was bringt mir das? Wird mir überhaupt geglaubt? sind Fragen, die die Opfer oftmals beschäftigen.
Es ist verständlich, dass bei Betroffenen solche und noch viel mehr Fragen aufkommen. Die Unsicherheit, wie ein Verfahren überhaupt abläuft und der Umstand über sexuelle – nicht einvernehmliche – Vorgänge zu sprechen, ist leider nach wie vor mit Scham besetzt und führt dazu, dass Betroffene oft nicht über solche Geschehnisse berichten.
Wichtig ist, dass Betroffene von jeglicher Art der sexuellen Gewalt erfahren, dass es Beratungseinrichtungen gibt, die diese Fragen vertraulich beantworten und an die sie sich kostenlos wenden können. Entscheidet man sich dann für eine Anzeige, wird man psychosozial unterstützt und durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt begleitet. Keine und keiner ist also alleine mit diesen Fragen und jede und jeder kann sich Unterstützung holen.
Dieser Artikel ist (in ähnlicher Form) bei derStandard.at bereits am 08.07.2024 im Gastblog "Mit Recht gegen Gewalt" von Patricia Hofmann erschienen.
Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können. Bitte beachten Sie auch, dass die obige Darstellung nicht zwangsläufig auf die individuellen Situationen übertragbar ist. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden im Text hauptsächlich geschlechtsneutrale Formen verwendet. Selbstverständlich gelten sämtliche Personenbezeichnungen gleichermaßen für alle Geschlechter.
KANZLEI CHRISTINA TOTH
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