Patricia Hofmann • 11. März 2022
Gewalt kann in einer Vielzahl von Formen zu Tage treten. Kommt es zu Misshandlungen, Verletzungen, sexueller Gewalt, gefährlichen Drohungen, Stalking oder einer anderen strafbaren Handlung stehen die Opfer zuerst vor der Entscheidung, ob eine Anzeige erfolgen soll. Dabei kommen oft verschiedenste Fragen auf. Unter anderem auch, was passiert, wenn es aufgrund der Anzeige zu einer Gerichtsverhandlung kommt.
In unserem heutigen Beitrag möchten wir daher einen ersten kurzen Einblick in das gerichtliche Hauptverfahren im Strafprozess geben.
Wann kommt es zu einer Hauptverhandlung vor Gericht?
Ist das Verfahren nicht eingestellt worden und das Verfahren auch nicht durch diversionelles Vorgehen beendet worden, bringt die Staatsanwaltschaft – wenn ausreichend Gründe dafür vorliegen – einen Strafantrag bzw eine Anklage ein. Kurzer Exkurs zum Verständnis: Ist aufgrund der Straftat und dem Strafrahmen das Bezirksgericht oder das Landesgericht als Einzelrichter zuständig, handelt es sich um einen Strafantrag. Beim Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht ist die Rede von der Anklageschrift.
Durch das Einbringen der Anklage bzw des Strafantrags beginnt das Hauptverfahren. Die Leitung des Hauptverfahren liegt beim zuständigen Gericht. Die Staatsanwaltschaft ist dann Beteiligter des Hauptverfahrens (§ 210 StPO).
Welche Personen sind bei der Hauptverhandlung anwesend?
Ist das Hauptverfahren eingeleitet worden, so wird dem Opfer – außer die Vernehmung hat schon im Zuge einer kontradiktorischen Vernehmung zuvor stattgefunden – eine Ladung zur Hauptverhandlung zugestellt. Auch der/die Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die juristische Prozessbegleitung sowie mögliche Zeugen erhalten eine Ladung für den Hauptverhandlungstermin. Im Verhandlungssaal sind neben diesen Personen selbstverständlich der/die Richter:Innen sowie unter Umständen auch Sachverständige und Dolmetscher anwesend.
Wie ist der Ablauf im Hauptverfahren?
Nachdem der/die vorsitzende Richter:in zu Beginn der Verhandlung einige Daten aufgenommen und über den Gang des Verfahrens informiert hat, trägt die Staatsanwaltschaft den Strafantrag bzw die Anklage vor. Danach wird der/die Angeklagte (mutmaßliche Täter:in) zum Sachverhalt vernommen und kann sich zu den ihr/ihm zur Last gelegten Taten verantworten. Darauf folgen in der Regel die Einvernahmen der Zeug:Innen. Als Opfer ist man im Strafverfahren grundsätzlich Zeug:in. Das bedeutet, dass man während der Vernehmung des/der Angeklagten vor dem Gerichtssaal auf die Zeugenvernehmung wartet. Hat man eine Rechtsvertretung (juristische Prozessbegleitung bzw Privatbeteiligung) so ist diese von Anbeginn der Verhandlung im Saal anwesend und vertritt die Interessen des Opfers während der gesamten Hauptverhandlung.
Als Zeug:in ist man verpflichtet einer Ladung zu einer Verhandlung Folge zu leisten und bei Gericht die Wahrheit zu sagen (§ 154 StPO). Zu Beginn der Einvernahme wird man nach den Generalien (wie Name, Adresse, Geburtsdatum, etc) gefragt. Daraufhin belehrt der/die Richter:in das Opfer über dessen Rechte und Pflichten, insbesondere die Verpflichtung die Wahrheit zu sagen (§ 247 StPO). Dann beginnt die eigentliche Vernehmung zum Sachverhalt. Nach der/m Richter:in können auch die Staatsanwaltschaft, die Rechtsvertretung des Opfers sowie die Verteidigung des Angeklagten über den Tathergang Fragen an das Opfer richten.
Sind alle Personen einvernommen und Beweismittel erörtert worden, wird das Beweisverfahren von Gericht geschlossen. Nacheinander erhalten die Staatsanwaltschaft, die Privatbeteiligten sowie der/die Angeklagte und dessen Vertreter:in das Wort und können sich zu den Verfahrensergebnissen äußern und ihre Anträge stellen (§ 255 StPO).
Wie wird das Verfahren beendet?
Am Schluss der Verhandlung verkündet der/die Richter:in das Urteil. Entweder der/die Angeklagte wird von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen oder es kommt zu einer Verurteilung. Je nach Delikt, Strafrahmen sowie Intensität und Dauer der Tat erfolgt die Verurteilung mit einer Haftstrafe oder einer Geldstrafe. Eine Strafe kann unbedingt ausgesprochen werden, dann hat der/die Verurteilte die Strafe in Haft zu verbüßen. Wird die Strafe für die Dauer einer Probezeit bedingt nachgesehen, so muss der/die Verurteilte die Strafe – vorerst – nicht verbüßen (§ 43 ff StGB). In dieser Zeit ist der/die Verurteilte sozusagen „unter Beobachtung“. Sollte es in dieser Zeit erneut zu einer Straftat kommen, besteht die Möglichkeit, dass die bedingt nachgesehene Strafe widerrufen wird. Darüber hinaus kann auch ein Ersatz des durch die Straftat erlittenen Schadens dem Opfer zugesprochen werden (§ 67 StPO), zum anderen kann der/die Richter:in auch Weisungen erteilen (§ 50 ff StGB). Weisungen können in Form von Kontaktverboten, der Anordnung der Bewährungshilfe, etc erfolgen. Werden keine Rechtsmittel der Beteiligten erhoben, so ist das Urteil rechtskräftig und das Verfahren in der Regel abgeschlossen.
Wie geht’s weiter?
Der heutige Beitrag soll einem ersten kurzen Einblick in die Hauptverhandlung im Strafverfahren dienen. Zum Hauptverfahren in Strafsachen und den Rechten von Opfern gibt es noch viele wichtige Themen zu besprechen. Auch sind im heutigen Beitrag wahrscheinlich die ein oder anderen Begriffe gefallen bei denen weitere Informationen hilfreich sind. In den kommenden Wochen, Monaten und Jahren werden wir zu all diesen Themengebieten umfassend informieren.
Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können. Bitte beachten Sie auch, dass die obige Darstellung nicht zwangsläufig auf die individuellen Situationen übertragbar ist. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden im Text hauptsächlich geschlechtsneutrale Formen verwendet. Selbstverständlich gelten sämtliche Personenbezeichnungen gleichermaßen für alle Geschlechter.
KANZLEI CHRISTINA TOTH
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