Patricia Hofmann • 14. April 2022
Im Zuge der Oscars kam es zu einem sehr brisanten - und mittlerweile vermutlich jedem bekannten - Eklat zwischen Will Smith und Chris Rock. Da stellte sich schnell die Frage, wie eine Ohrfeige juristisch zu qualifizieren ist:
Glamourös und modern wollte sich die Oscar-Verleihung nach einer Covid-Pause präsentieren, hieß es in den Medien. Doch diskutiert wird nur über ein Thema: die Ohrfeige, die Will Smith dem Laudator Chris Rock verpasste. Und auch in Deutschland wurde bei einem Boxkampf-Event abseits des Rings eine Ohrfeige von Rapper Fat Comedy an Oliver Pocher verteilt: Völlig aus dem Nichts griff der Musiker den Komiker beim Event an. Wie rasch diese Vorfälle ihre Runden machen und was diese medial für Folgen haben können, sieht man gerade sehr deutlich. Die Berichte und Videos kursieren im Internet und die Meinungen dazu überschlagen sich.
Aber wie ist das Verhalten strafrechtlich – nach österreichischer Rechtslage – zu beurteilen?
Auch eine Ohrfeige ist zu viel
Unabhängig, ob vor einem Millionenpublikum oder nicht, Gewalt ist nie eine Lösung. Und ja: auch eine Ohrfeige fällt unter den Begriff der Gewalt. Um das Verhalten juristisch zu betrachten, muss man auch der Intention nachgehen, die hinter einem Vorfall steht.
Körperverletzung, Misshandlung oder doch eine Beleidigung?
Eine Körperverletzung liegt unter anderem dann vor, wenn jemand einen anderen am Körper verletzt.
Von § 83 Abs 1 StGB ist das vorsätzliche Verletzen am Körper oder der Gesundheit einer anderen Person erfasst. Der Täter, die Täterin hält es im Zeitpunkt der Handlung zumindest ernstlich für möglich und findet sich auch damit ab (Eventualvorsatz), dass seine beziehungsweise ihre Handlung die andere Person verletzt. Handelt der Täter, die Täterin mit einem Verletzungsvorsatz und tritt die Verletzung aber nicht ein, kommt ein Versuch nach § 83 Abs 1 StGB in Betracht.
Ebenso zu bestrafen ist nach § 83 StGB, wer einen anderen am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig eine Verletzung herbeigeführt wird. Darunter fallen in der Regel Stöße, Beinstellen, Fußtritte oder auch Schläge mit der Hand. Der Täter, die Täterin wirkt mit physischer Kraft auf eine andere Person ein und muss im Handlungszeitpunkt den Eventualvorsatz auf das Misshandeln haben. Dass die Verletzung fahrlässig herbeigeführt wird, reicht hier aus und bedarf es eben nicht des Vorsatzes des Täters, der Täterin auf diese. Das führt allerdings auch dazu, dass eine Versuchsstrafbarkeit des § 83 Abs 2 StGB nicht infrage kommt, wenn der Erfolg der Verletzung nicht eintritt.
Dann wiederum ist aber noch eine Strafbarkeit nach § 115 StGB und die Qualifikation als Beleidigung denkbar. Kommt zur körperlichen Misshandlung eine entehrende, beleidigende Art hinzu und führt die Einwirkung auf den Körper zwar zu keiner Verletzung, jedoch zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens, kommt die Verfolgung nach § 115 StGB (Beleidigung) infrage. Der Tatbestand der Beleidigung verlangt aber ein gewisses Mindestmaß an Publizität. Von einer öffentlichen Tatbegehung geht man ab einem Kreis von circa zehn Personen aus. Für eine Misshandlung vor mehreren Leuten reicht bereits die Gegenwart von mindestens drei weiteren Personen aus.
Beim Vorfall während der Oscar-Verleihungen müsste man sich um die Notwendigkeit der Publizität jedenfalls keine weiteren Gedanken machen. Beim Delikt der Beleidigung ist zu beachten, dass es sich um ein Privatanklagedelikt handelt. Das bedeutet, dass die strafbare Handlung nur auf Verlangen des Opfers zu verfolgen ist. Es geht dabei nicht darum, dass der Unrechtsgehalt stets geringer als jener von Offizialdelikten ist. Man geht vielmehr davon aus, dass das geschützte Rechtsgut überwiegend in der privaten Sphäre des Opfers liegt.
Kann man solch ein Verhalten "entschuldigen"
Offen bleibt noch die Frage, ob das Verhalten allenfalls "entschuldigt" werden und der Täter, die Täterin damit straffrei bleiben kann. Das ist nach § 115 Abs 3 StGB dann der Fall, wenn man sich zur Beleidigung nur aufgrund der Entrüstung über das Verhalten der anderen Person hinreißen hat lassen und diese Entrüstung allgemein begreiflich ist.
Es ist daher die Frage zu stellen, ob sich ein rechtstreuer Außenstehender vorstellen könnte, unter den gegebenen Umständen ebenfalls in eine solche – emotionale – Ausnahmesituation zu geraten. Auch darf der Täter, die Täterin nur spontan gehandelt haben, es muss also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Entrüstung und der Reaktion bestehen. Bei einer wohlüberlegten Handlung kommt die Entschuldigung im Sinne des § 115 Abs 3 StGB also nicht in Betracht. Zu guter Letzt: die Beleidigung (beziehungsweise im konkreten Fall die Ohrfeige) muss im Verhältnis zum auslösenden Verhalten der anderen Person angemessen sein und es darf keine Überreaktion vorliegen. Hier gibt es wohl den größten Interpretations- und Diskussionsspielraum.
Überreaktion, die ihre Wirkung verfehlt hat
Um nun auf die eingangs erwähnten Vorfälle zurückzukommen: Witze über die Krankheit einer Person sind absolut geschmacklos und wenn diese vor einem Millionenpublikum erfolgen, umso mehr. Insofern können einige die Entrüstung von Will Smith, der hier seiner Frau Jada Pinkett Schützenhilfe leisten wollte, auch nachvollziehen. Gleichzeitig wird er sich aber auch den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass seine gewalttätige Reaktion darauf keineswegs angemessen war. So hätte eine verbale Konfrontation auf offener Bühne Chris Rock womöglich einen noch viel härteren Schlag versetzt. Jetzt wird weniger über die verbale Entgleisung von Rock, sondern vielmehr über die Frage diskutiert, ob Gewalt denn gerechtfertigt sei. Wohl nicht eine Diskussion, die Smith mit seinem Verhalten anstoßen wollte.
Der Fall von Oliver Pocher und Rapper Fat Comedy ist hingegen anders gelagert. Hier wird dieser Entschuldigungsgrund nicht infrage kommen und wären bei diesem Vorfall auch andere strafrechtliche Tatbestände noch zu betrachten. Soweit man aus den Medienberichten entnehmen kann, war das Verhalten vom Angreifer vermutlich geplant und ging dieser Tat auch keine unmittelbare Provokation von Pocher voraus. Insofern gibt es auch nicht im Geringsten einen Ansatz für einen Entschuldigungsgrund der offen zur Schau getragenen Gewalt.
Während Rock – so hört man – vermutlich keine Anzeige gegen Smith erstatten will, hat Pocher seinen Angreifer wohl bereits angezeigt. Somit wird die Ohrfeige ein Fall für die Justiz und es bleibt abzuwarten, wie die deutschen Gerichte entscheiden.
Neben all der medialen Berichterstattung bleibt die Frage: Was sollten wir aus diesen Vorfällen – unabhängig von diversen Diskussionspunkten und auseinandergehenden Meinungen – lernen: Gewalt darf nie als "Ausrutscher" bagatellisiert werden und jegliche Gewalt kann strafrechtliche Folgen haben.
Gewalt ist und wird nie die Lösung sein.
Dieser Artikel ist bei derStandard.at bereits am 4.4.2022 im Gastblog "Mit Recht gegen Gewalt" von Patricia Hofmann erschienen.
Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können. Bitte beachten Sie auch, dass die obige Darstellung nicht zwangsläufig auf die individuellen Situationen übertragbar ist. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden im Text hauptsächlich geschlechtsneutrale Formen verwendet. Selbstverständlich gelten sämtliche Personenbezeichnungen gleichermaßen für alle Geschlechter.
KANZLEI CHRISTINA TOTH
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