Patricia Hofmann • 19. Mai 2022
Vor einigen Wochen ist bekannt geworden, dass das Landesgericht Krems entschieden hat, dass Josef F. bedingt aus dem Maßnahmenvollzug in den "Normalvollzug" entlassen wird. Es stellen sich daher die Fragen, wie es denn überhaupt zu dieser "besonderen" Form des Vollzugs gekommen ist, und was es mit der jetzigen Entscheidung des Landesgerichts Krems auf sich hat.
Lebenslang ist lebenslang
Zuerst nochmal ein kurzer Rückblick zu dem Verfahren von Josef F. vor dem Landesgericht St. Pölten:
Die Anklage gegen Josef F. – welcher in der Zwischenzeit seinen Namen geändert hat – umfasste acht Anklagepunkte. Darunter auch Mord durch Unterlassung, Vergewaltigung, Blutschande und Sklaverei. Die acht Geschworenen haben Josef F. im März 2009 in allen Anklagepunkten einstimmig schuldig gesprochen.
Die Richterin verkündete danach das Strafmaß: lebenslange Freiheitsstrafe und die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Entgegen manchen Mutmaßungen: eine lebenslange Freiheitsstrafe bedeutet grundsätzlich auch lebenslang. Allerdings ist auch hiebei eine bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe nicht ausgenommen, doch gibt es besondere Voraussetzungen dafür. So darf ein zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilter nur bedingt entlassen werden, wenn er mindestens fünfzehn Jahre verbüßt hat und anzunehmen ist, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.
Was bedeutet Maßnahmenvollzug?
Sehen wir uns dazu das Strafgesetzbuch etwas genauer an. Der Maßnahmenvollzug ist in § 21 StGB geregelt und enthält die Bestimmungen zur Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Zuerst ist zu unterscheiden, ob die Person zurechnungsfähig war oder nicht, ob sie also unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes stand. Darunter versteht man beispielsweise eine Geisteskrankheit oder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung. Der Zustand der Zurechnungsunfähigkeit muss dabei seine Wurzel in einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades haben.
In jedem Fall ist das Vorliegen einer Anlasstat erforderlich. Begeht nun jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist und handelt es sich nicht um ein reines Vermögensdelikt, so liegt in der Regel eine Anlasstat im Sinne des § 21 StGB vor. Zusätzlich dazu ist eine geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad sowie eine Gefährlichkeitsprognose, dass weitere gerichtlich strafbare Handlungen mit schweren Folgen zu befürchten sind, Voraussetzung für die Unterbringung. Diese Umstände werden von einem Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie erörtert, der im Zuge des Verfahrens ein Gutachten erstattet.
Liegen all diese Voraussetzungen vor und ist der Täter nicht zurechnungsfähig, so hat das Gericht die Einweisung in eine entsprechende Anstalt anzuordnen. Bei der Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB liegen die selben Befürchtungen vor, allerdings mit dem Unterschied, dass der Täter sehr wohl zurechnungsfähig war. In dieser Konstellation wird von Gericht die Unterbringung zugleich mit dem Ausspruch über die Strafe angeordnet. So wie im Fall Josef F.: Dieser wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt sowie in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Vollzug auf unbestimmte Zeit
Wurde eine Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet, so ist diese vor einer Freiheitsstrafe zu vollziehen. Die Dauer der Anhaltung in der Anstalt ist auf die Strafe anzurechnen. Endet die Unterbringung also vor dem Ablauf der Strafzeit, dann ist der Rechtsbrecher für die restliche Zeit in den Strafvollzug zu übersiedeln.
Die vorbeugenden Maßnahmen werden auf unbestimmte Zeit angeordnet. Der Vollzug dauert so lange an, wie es zweckmäßig ist. Ob die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher weiterhin notwendig ist, hat das Gericht zu prüfen, und zwar von Amts wegen und mindestens alljährlich. Über die Aufhebung der Unterbringung entscheidet das Vollzugsgericht. Im Fall Josef F. ist das das Landesgericht Krems. Damit eine bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme überhaupt infrage kommt, muss eine günstige Prognose vorliegen. Die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme bei der Verhängung der Maßnahme gerichtet hat, darf also nicht mehr bestehen.
Aktueller Stand im Fall Josef F.
Bekannt wurde nun im April 2022, dass das Landesgerichts Krems die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug für die Dauer einer Probezeit von zehn Jahren ausgesprochen hat. Unter anderem sollen Berichten zufolge damit aber auch Weisungen verbunden sein, wie "psychiatrische Kontrollen". Sollte es bei dieser Entscheidung bleiben, könnte Josef F. in den "normalen" Strafvollzug verlegt werden.
Da die Staatsanwaltschaft allerdings Beschwerde erhob, ist der Beschluss des Landesgerichts Krems nicht rechtskräftig. Josef F. befindet sich daher vorerst noch im Maßnahmenvollzug, so lange der Beschluss nicht rechtskräftig ist. Der Akt liegt daher nunmehr beim Oberlandesgericht Wien, welches über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu entscheiden hat. Sollte der Beschluss zum Maßnahmenvollzug rechtskräftig werden und Josef F. in den Strafvollzug verlegt werden, wäre eine bedingte Entlassung – aufgrund der lebenslangen Freiheitsstrafe und der anzurechnenden Untersuchungshaft seit 2008 – bereits im Jahr 2023 grundsätzlich denkbar.
Dieser Artikel ist bei derStandard.at bereits am 10.5.2022 im Gastblog "Mit Recht gegen Gewalt" von Patricia Hofmann erschienen.
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